Überwachung von SARS-CoV-2 im Gemeindeabwasser

SARS-CoV-2 im kommunalen Abwasser - Einführung
Foto: Pixabay, 2021

Das Virus SARS-Cov-2 gelangt vor allem mit dem Stuhl infizierter Personen in die Umwelt. Etwa 70 % der infizierten Personen scheiden das Virus aus a,b, unabhängig davon, ob sie unter den typischen Beschwerden leiden oder teilweise bis vollständig beschwerdefrei sind. Durch Untersuchung des Abwassers am Einlauf der Kläranlagen kann man das Vorkommen des Virus im Einzugsgebiet der Kläranlage überwachen und auf anonyme Weise auf dessen Verbreitung innerhalb der Bevölkerung eines bestimmten Gebietes schließen. Die Methode ist nicht-invasiv, effizient sowie kostengünstig und ermöglicht eine anonyme Datenerfassung.

Das Monitoring

Seit September 2021 beteiligt sich das Biologische Labor zur der epidemiologischen Überwachung von SARS-COV-2 anhand der Untersuchung des kommunalen Abwassers (SARI, Sorveglianza Ambientale Reflue in Italia). In Anlehnung an ein national anerkanntes Protokoll wird genetisches Material aus dem Abwasser der Kläranlagen extrahiert und auf Genfragmente des Coronavirus SARS-COV-2 untersucht. Diese präventiven Maßnahmen dienen zur Überwachung des Vorhandenseins des Virus und seiner möglichen Verbreitung. Dafür werden zweimal wöchentlich Abwasserproben aus den 9 Kläranlagen der Provinz. Die Proben werden einmal im Monat an das Istituto Superiore di Sanità in Rom geschickt, wo sie auf verschiedene SARS-COV-2 Varianten untersucht werden. Die Ergebnisse der Analysen werden jeden Monat auf der Website des Istituto Superiore di Sanità veröffentlicht. Das Monitoring erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern der Kläranlagen, dem Südtiroler Sanitätsbetrieb und den Ämtern der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz.

Lesen Sie auch den Artikel "Das Überwachungssystem von Sars-Cov-2 im Abwasser" in der Zeitschrift "Ecoscienza" (Nr. 2, Jahr 2022).

Meist wenden sich Personen mit Beschwerden an den Sanitätsbetrieb, um einen Test zum Nachweis von SARS-CoV-2 durchführen zu lassen. All diese Tests werden registriert. Personen mit leichten oder fehlenden Beschwerden fallen jedoch durch dieses Erhebungsraster. Jeder benutzt jedoch die Toilette. Somit gelangt jede Virusausscheidung ins Abwasser und über die Kanalisation in die Kläranalgen. Die Untersuchung des Abwassers am Kläranalgen-Einlauf erlaubt Rückschlüsse auf die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung. Die Probenentnahme erfolgt zweimal wöchentlich, montags (24-Stunden-Probe von Sonntagmorgen bis Montagmorgen) und donnerstags (24-Stunden-Probe von Mittwochmorgen bis Donnerstagmorgen). Die Proben werden über 24 Stunden entnommen, und zwar proportional zur einfließenden Abwassermenge. Auf diese Weise erhält man eine repräsentative Probe des Einzugsgebietes der jeweiligen Kläranlage.

Das Amt für Gewässerschutz hat neun, für Südtirol repräsentative Kläranlagen ausgewählt. Dabei wurden geografische Besonderheiten und touristische Einflüsse berücksichtigt.

Folgenden Kläranlagen wurden in das Monitoring-Programm aufgenommen:

An die Kläranlagen angeschlossene Gemeinden (Quelle: Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz)
An die Kläranlagen angeschlossene Gemeinden (Quelle: Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz)

 

 

Die Daten bezüglich der neun repräsentativen Kläranlagen
Kläranlage für kommunales Abwasser(ARA)Angeschlossene GebieteKapazität in Einwohnerwerte (EW)Ansässige
ARA Bozen Bozen (ohne St. Jakob), Eppan (ohne Montiggl), Karneid, Gargazon, Nals, Burgstall, Ritten (Signat, Sill, Atzwang, Unterplatten), Jenesien (ohne Anfing und Flaas), Tisens, Terlan, Andrian, Völs, Tiers, Kastelruth (Kastelruth, Seis und Kompatsch), Deutschnofen und Welschnofen (Eggental)
450.000 144.382
ARA Tramin Kaltern, Tramin, Truden, Montan, Aldein, Auer, Pfatten (Laimburg, Klughammer, Gmund), Neumarkt (ohne Laag), Kurtatsch, Montiggl,
138.000 24.544
ARA Pontives Wolkenstein, St. Christina in Gröden, St. Ulrich, Kastelruth (Überwasser, Saltria, Pufels), Lajen (Pontives) 75.000 10.410
ARA Mittelvinschgau Laas, Schlanders, Latsch, Martell, Kastelbell 40.300 17.705
ARA Brixen Freienfeld (ohne Mauls), Franzensfeste, Brixen, Vahrn, Natz-Schabs, Feldthurns (Ziggler) 65.000 31.718
ARA Tobl Bruneck, Sand in Taufers, Pfalzen (Greinwalden), Gais, Wengen, Enneberg, Percha, Prettau, Rasen Antholz, St. Lorenzen, S. Martin in Thurn, Mühlwald, Badia (Pescol, Puntac), Olang, Ahrntal 150.000 49.080
ARA Wasserfeld Prags, Toblach, Welsberg-Taisten, Gsies, Niederdorf 58.000 10.170
ARA Unteres Eisacktal Waidbruck, Barbian, Villanders, Klausen, Feldthurns, Lajen, Teis (Villnöss) 45.000 38.223
ARA Meran Hafling, Kuens, Tscherms, Algund, Lana (Handwerkerzone), Marling, Meran, Naturns, Partschins, Plaus, Riffian, St. Martin in Passeier (Saltaus, Quellenhof), St. Leonhard in Passeier (Schweinsteg), Schenna, Tirol 364.000 69.600

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Abwasser enthält große Mengen an Bakterien und Viren, die im menschlichen Darm vorkommen und mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Die Abwasser-Sammelprobe wird zuvor aufkonzentriert, um das darin enthaltene genetische Material zu extrahieren. Aus einer Abwasserprobe von 50 ml (entspricht dem Volumen eines großen Reagenzglases) erhält man etwa 0,1 ml (entspricht einem Tropfen) konzentriertes genetisches Material bestehend aus einer Mischung unterschiedlicher DNS und RNS bakteriellen, viralen und menschlichen Ursprungs. In dieser Lösung sucht man mittels Real-time RT-PCR(1) nach einigen genetischen RNS(2) -Sequenzen bestimmter Eiweißstoffe des Coronavirus SARS-Cov2. Die vom Gerät gemessene Signalstärke hängt von der Konzentration der untersuchten RNS-Sequenzen in der Abwasserprobe ab und liefert somit eine Information über die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung.

Note 1: Die Analysemethode Real-time RT-PCR erlaubt einen DNS-Doppelstrang zu synthetisieren, ausgehend von RNS (Reverse Transkription, RT). Der DNS-Strang wird mithilfe des Enzyms Polymerase aufgebaut. Es folgen mehrere Synthesezyklen aufeinander. Bei jedem Zyklus verdoppelt sich die DNS und wird in der Folge für das Analysengerät „sichtbar“ und somit quantifizierbar. Da SARS-CoV-2 einen RNS-Strang besitzt, ist es nötig die sogenannte Retrotranskription als Zwischenschritt einzubauen.

Note 2: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.

  • Transport der Abwasserprobe in Kühltaschen vom Entnahmepunkt ins Labor.
  • Um die Wirksamkeit der Extraktion des genetischen Materials überwachen zu können, wird den Abwasserproben vor Untersuchungsbeginn ein Kontrollvirus zugesetzt.

  • Konzentration der Abwasserprobe von 50 ml auf 0,1 ml.

  • Extraktion des genetischen Materials (RNS)(1).

  • Vermehrung (Amplifikation) mittels RT-qPCR(2) des ORF-1ab (nsp14)-Gens des SARS-CoV-2-Virus.
  • Um die Wirksamkeit der erfolgten Extraktion zu berechnen, werden auch bestimmte Gensequenzen des Kontrollvirus vermehrt.
  • Untersuchungsergebnis der Abwasserprobe: ausgedrückt als „Präsenz oder Abwesenheit von SARS-Cov-2“, sowie deren quantitativen Auswertung und Festhaltung der relativen Signalstärke.

  • Die Datenverarbeitung erfolgt innerhalb von 48 Stunden nach der Probenannahme.

Note 1: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.

Note 2: Die Analysemethode Real-time RT-PCR erlaubt einen DNS-Doppelstrang zu synthetisieren, ausgehend von RNS (Reverse Transkription, RT). Der DNS-Strang wird mithilfe des Enzyms Polymerase aufgebaut. Es folgen mehrere Synthesezyklen aufeinander. Bei jedem Zyklus verdoppelt sich die DNS und wird in der Folge für das Analysengerät „sichtbar“ und somit quantifizierbar. Da SARS-CoV-2 einen RNS-Strang besitzt, ist es nötig die sogenannte Retrotranskription als Zwischenschritt einzubauen.

  • Daten können nicht unabhängig voneinander interpretiert werden: die Untersuchungsergebnisse einer Probenentnahme werden mit den Ergebnissen der vorangegangenen und nachfolgenden Proben verglichen (Kurvenverlauf), um nicht repräsentative Proben möglichst auszuschließen.
  • Mittels Abwasseruntersuchung kann man nicht feststellen, ob das genetische Material von SARS-CoV-2 von Neuinfizierten oder genesenen Personen stammt, die die kritische Phase bereits überstanden haben, aber noch Viren ausscheiden.
  • Die Analyse von Abwasser kann als Frühwarnung für die Überwachung von SARS-COV-2 eingesetzt werden, als mögliches Instrument zur Kontrolle der Verbreitung des Virus in der Bevölkerung.
  • Das Corona-Monitoring mittels Abwasseruntersuchung wird vor allem dann nützlich, wenn bei steigender Infektionszahl die Rückverfolgung der einzelnen Fälle nicht mehr garantiert werden kann.
  • Eine abnehmende Signalstärke in den Abwasserproben gilt als Zeichen für die Wirksamkeit getroffener Beschränkungsmaßnahmen.
  • Bei zunehmendem Umlauf des Virus steigt die Kurve der SARS-CoV-2-RNS-Konzentration(1) im Abwasser etwa 4 bis 14 Tage früher an als jene der Virusinfektionen im Einzugsgebiet der Kläranlage.

Note 1: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.

 

 

 

 

 

 


Abwasserbasierte Epidemiologie

Die Ergebnisse von Abwasseruntersuchungen ermöglichen den Verlauf einer Corona-Epidemie vorherzusagen. Das genetische Material des Virus ist bereits zu Beginn eines epidemischen Ausbruchs im Abwasser nachweisbar, und zwar noch bevor erste klinische Fälle bekannt werden. Steigt die Ansteckungszahl an, nimmt auch die Menge an genetischem SARS-CoV-2-Material im Abwasser zu. Nach Genesung der Personen verringert sich die nachweisbare Menge. Der Rückgang erfolgt langsam, da der menschliche Organismus auch nach Abklingen der Beschwerden noch einige Wochen lang das Corona-Virus ausscheiden kann.

Der Nachweis viraler RNS(1) im Abwasser informiert in Echtzeit über die Verbreitung des Corona-Virus in der Bevölkerung und den Aufwärts- bzw. Abwärts-Trend der epidemiologischen Kurve. Das Viren-Monitoring im Abwasser bzw. die sogenannte abwasserbasierte Epidemiologie dient der Vorbeugung und Kontrolle von epidemischen Herden und bietet folgende Vorteile:

  • Das Monitoring ist indirekt, nicht invasiv und anonym.
  • Es liefert Informationen über Verbreitung und Umlauf des Virus mit Angaben zum Verlauf der epidemiologischen Kurve.
  • Es unterstützt Entscheidungen über eventuell nötige Einschränkungsmaßnahmen, die somit auch auf Zonen mit größter Viruszirkulation beschränkt bleiben können.
  • Die Daten der abwasserbasierten Epidemiologie können ergänzend zu den epidemiologischen Daten des Sanitätsbetriebes genutzt werden und ermöglichen eventuell zukünftige Ansteckungswellen vorherzusagen.

Note 1: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.

Abwasser: die neuen Chancen der Umweltüberwachung
(Produktion: August 2023)

Ist das Virus im Abwasser aktiv und infektiös?

Das Vorhandensein von genetischem Material weist darauf hin, dass das Virus im Abwasser vorhanden ist, es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass SARS-CoV-2 im Abwasser oder anderen aquatischen Matrizes überleben kann. Um infektiös zu sein, müssen die die RNS(1) schützende Hülle, das sogenannte Kapsid, sowie die äußere, die RNS umhüllende Membran und die zum Anheften an die Wirtszelle nötigen Eiweißstoffe unversehrt sein. Reinigungsmittel, organisches Material und Bakterien im Abwasser können die äußere Membran des Virus beschädigen. Dadurch wird das Virus inaktiviert oder abgeschwächt und kann sich nicht mehr so leicht an die menschlichen Wirtszellen anheften. SARS-CoV-2 deaktiviert sich viel schneller als enterische Viren mit typischer aquatischer Übertragung, wie Norovirus, Rotavirus und Hepatitis-A-Virus. Derzeit gibt es keine Hinweise auf eine Übertragung oder eine Infektion von SARS-CoV-2 im Abwasser, da nur Fragmente davon vorhanden sind.

Im Abwasser sind virale RNA vorhanden, wodurch sich die Abwasseranalyse für die umweltepidemiologische Überwachung eignet.

Note 1: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.

 

Kontakt: Biologisches Labor