Mikroplastik
Was ist Mikroplastik? | Ergebnisse der Erhebung 2021-2022 | Pilotprojekt

Was ist Mikroplastik?
Der große Erfolg des Kunststoffs hängt mitunter mit seinen ausgezeichneten Stabilitätseigenschaften zusammen. Darum weisen Kunststoffabfälle, wenn sie nicht ordnungsgemäß entsorgt werden, eine hohe Persistenz in der Umwelt auf. Durch Sonneneinstrahlung und Witterungsverhältnisse verändert sich bzw. fragmentiert das in der Umwelt entsorgte Plastik. Die dadurch entstandenen Stückchen begünstigen die Verbreitung des Kunststoffes in Form von Mikroplastik.
Obwohl es derzeit keine international normierte Größeneinteilung gibt, werden normalerweise Fragmente, die kleiner als 5 mm sind, zum Mikroplastik gezählt. Kürzlich wurde eine weitere Unterscheidung zwischen "kleinen" (1 µm bis 1 mm) und "großen" (1 mm bis 5 mm) Mikroplastikpartikeln vorgeschlagen. Fragmente, die größer als 5 mm sind, werden als Makroplastik bezeichnet. Kunststoffpartikel, die kleiner als 1 µm und größer als 1 nm sind, werden hingegen als Nanoplastik klassifiziert. Mikroplastik kann auch nach seiner Herkunft in Primär- oder Sekundärkunststoffe eingeteilt werden. Erstere werden direkt für den Einsatz als feines Pulver in technischen Anwendungen oder als kosmetische Zusatzstoffe hergestellt; das sekundäre Mikroplastik stammt hingegen aus der Zerkleinerung von Makroplastik-Rückständen. Nanoplastik wird zunehmend im medizinischen und elektronischen Bereich eingesetzt. Die am häufigsten verwendeten Polymere im Mikroplastik sind Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET) und Polyvinylchlorid (PVC).
Die meisten Studien über Mikroplastik haben sich zunächst auf die Meere konzentriert, wo eine erhebliche Auswirkung des Mikroplastiks auf die Nahrungskette festgestellt wurde. Mehr als 80% der im Meer gefundenen Kunststoffe stammen jedoch in Wirklichkeit aus den Fließgewässern des Festlandes. Noch immer existieren wenige Studien über Süßwasserökosysteme. Zudem sind die Resultate dieser Untersuchungen aufgrund der meist unterschiedlichen Probennahme- und Messmethoden kaum vergleichbar.
Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind ebenfalls wenig erforscht. Dabei ist der Mensch sicherlich einer Kontamination durch Mikroplastik sehr ausgesetzt. Diese erfolgt entweder über Verschlucken, Einatmen oder Hautkontakt. Die schädlichen Auswirkungen könnten insbesondere mit der Toxizität der Mikropartikel selbst zusammenhängen. Zudem spielen der oxidative Stress und die durch das Mikroplastik ausgelösten Entzündungsreaktionen möglicherweise eine große Rolle. Letztere beruht auf einer Unfähigkeit des Immunsystems, Mikrokunststoffe zu erkennen und zu eliminieren. Eine kürzlich vom WWF in Auftrag gegebene australische Untersuchung schätzt, dass wir jede Woche bis zu 2000 Mikroplastikfragmente verschlucken, was dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht (5 Gramm). Die Partikel, die am wahrscheinlichsten im menschlichen Körper verbleiben und schädliche Wirkungen verursachen, sind jene, die kleiner als 5 - 10 µm sind.
Erhebung 2021-2022
Im Zeitraum zwischen November 2021 und Ende Dezember 2022 hat das Biologische Labor der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz Wasserproben aus den größten Fließgewässern Südtirols (Etsch, Eisack, Rienz und Ahr) und aus einigen Hochgebirgsbächen, darunter Karlinbach in Langtaufers, Trafoier Bach und Mareiter Bach, entnommen. In diesen Gewässern wurde die Anwesenheit von Mikroplastik dokumentiert und auch dessen möglicher Ursprung ausgeforscht.
Mikroplastik wurde in allen entnommenen Wasserproben nachgewiesen. Die Ergebnisse weisen eine geringe Gesamtkonzentration von Mikroplastik auf. Sie ist vergleichbar mit anderen nationalen und europaweiten Studien, die ähnlich große Gewässer untersuchten. Zudem sind die gefundenen Werte niedriger als jene, die in großen Flüssen von Europa und Asien aufgezeichnet wurden.
Die Analysen der Ergebnisse der verschiedenen Kunststoffarten zeigen, dass die Anzahl des Mikroplastiks (mit bloßem Auge kaum sichtbare Kunststoffteile) größer ist als die Anzahl des Makroplastiks (mit bloßem Auge sichtbare Kunststoffteile). Unter den verschiedenen Formen von Mikroplastik überwiegen eindeutig Filamente, die aus den synthetischen Stoffen der getragenen Kleidung stammen. Auch waren neben Filamenten auch Fragmente, die aus der Zersplitterung von verwitterten Kunststoffgegenständen stammen, sehr häufig.
Mikroplastik kann in verschiedenen Bereichen eines Gewässers untersucht werden: im Wasser, im Ufersediment und im Tiefensediment.
Die Probeentnahme
Der Großteil der Probenahme- und Untersuchungsmethoden in diesem Bereich kommt aus der Meeresforschung, sie wurden zur Untersuchung von Seen und Flüssen weiter entwickelt.
Das Monitoring von Mikroplastik in den Flüssen erfolgt über die Entnahme von Wasserproben. Die Wasserentnahme erfolgt über ein spezielles Netz, das „Manta Schleppnetz“. Die Wasserproben werden in das Labor gebracht, wo die eigentliche Untersuchung auf Mikroplastik am Stereomikroskop erfolgt. Dabei wird die Menge an Mikroplastik, sowie seine Eigenschaften (wie Größe, Form und Farbe) erhoben.
Die Behälter für die Probenahme und die Ausrüstung im Labor müssen aus Glas oder Metall sein, um zu verhindern, dass Mikroplastik an den Wänden der Behälter und der Ausrüstung haften bleibt. Es sollte auch vermieden werden synthetische Bekleidung zu tragen.

"Manta Schleppnetz" zur Probenahme von Mikroplastik
(Foto: Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, M. Covi, 2021)
Probenahme von Mikroplastik in Südtirols Fließgewässer
(Produktion: Mai 2022)
Verringern wir die Verschmutzung durch Mikroplastik!
Wir alle können dazu beitragen, die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik durch nachhaltige und umweltfreundliche Lebensstilentscheidungen zu verringern, wie beim Kauf von Lebensmitteln oder Kleidung.
Tipps zur Vermeidung von Mikroplastik:
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Lassen Sie keine Plastikgegenstände in der Umwelt zurück
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Trennen Sie Ihren Abfall richtig
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Vermeiden Sie die Verwendung von Einwegprodukten
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Wählen Sie Kleidung aus Naturfasern (Wolle, Baumwolle, Hanf, Viskose, Seide, Bambus, Modal) anstelle von synthetischen Fasern (Elasthan, Nylon, Polyester, Acryl, Neopren und Polyurethan)
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Waschen Sie Kleidung aus Kunstfasern bei niedrigen Temperaturen und immer in einer voll beladenen Waschmaschine. Dadurch wird die Reibung und Fallhöhe der Kleidung in der Waschmaschinentrommel reduziert und somit wird die Bildung von Mikroplastikpartikeln verringert
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Verwenden Sie lieber Flüssig- als Pulverwaschmittel, da dieses eine „scrub“ Wirkung auf die Textilien haben können
Pilotprojekt 2019 (an der Etsch)
Im Juli 2019 hat das Biologische Labor zum ersten Mal eine Beprobung zum Nachweis von Mikroplastik in den Sedimenten der Etsch, durchgeführt. Es handelte sich dabei um eine explorative Untersuchung mit dem Ziel, die Erhebungsmethode zu entwickeln bzw. zu verfeinern, sowie die dafür nötigen Instrumente zu ermitteln.
Die Probenahmestelle befindet sich auf dem orographisch linken Etschufer nördlich von Laag. Das Untersuchungsgebiet mit einer Fläche von 1020 m2 besteht aus einem regelmäßig überfluteten Uferabschnitt (siehe Fotogalerie, Foto 1 und 2).
Die Beprobung der Ufersedimente erfolgte nach den für Strände am Meer ausgearbeiteten Richtlinien(1). Zunächst wurde eine Zählung des im Untersuchungsgebiet vorhandenen Makroplastiks durchgeführt, indem alle vorhandenen Kunststoffe mit einer Größe von mehr als 5 mm ermittelt wurden. Ein Teil dieser Objekte wurde ins Labor gebracht, um sie mit den im Sediment gefundenen Mikroplastikfragmenten zu vergleichen. Die eigentliche Sedimentbeprobung erfolgte in der oberen 5 cm dicken Sedimentschicht. Dabei wurden mindestens drei zufällige Replikate im Abstand von wenigstens 5 m für jede der beiden Kategorien von Mikroplastik („Small-Microplastic ” (SMP : < 1 mm) bzw. „Large-Microplastic” (LMP: 1 - 5 mm)) entnommen (2). Alle entnommenen Proben wurden in Glas- oder Metallbehältern aufbewahrt.
Anmerkung:
(1) Die in den letzten Jahren am häufigsten verwendeten Methoden dazu sind jene von Georg Hanke, publiziert 2013 in „Guidance on Monitoring of Marine Litter in European Seas”, von „EU Technical Subgroup on Marine Litter (TSG-ML)” sowie jene von Löder und Gerdts (2015).
(2) Die Beprobung des „Large-Microplastic“ erfolgte mit einem 50x50 cm großen Rahmen, in dem die obersten 5 cm der Sedimentschicht mit einem Metalllöffel beprobt wurden. Dies entspricht einem Volumen von 12.500 cm3 für jedes der drei Replikate. Auch die Beprobung des „Small-Microplastic“ erfolgte mit einem Metalllöffel, wobei für jedes der fünf Replikate 250 cm3 Sediment entnommen wurde. Sämtliche Proben wurden in Glas- oder Metallbehältern aufbewahrt.
Die Sedimentproben wurden in Aluminiumbehältern bei 60°C für 48 h getrocknet. Anschließend wurden die Proben des „Small-Microplastic” durch ein Sieb mit 1 mm Maschenweite und jene des „Large-Microplastic” durch ein in einem 1 mm Lochsieb befindlichen 5 mm Lochsieb gefiltert, gewogen und in Glasbehältern aufbewahrt.Die Extraktion des Mikroplastiks aus der Sedimentprobe kann in vier Stufen unterteilt werden: visuelle Vorselektion, Trennung aufgrund der Dichte, Filtration und Aufbereitung(1).
Anmerkung:
(1) Die visuelle Vorauswahl (Sortierung) aller Sedimentproben erfolgte am Stereomikroskop. Die sichtbaren Mikroplastikfragmente wurden mit einer Pinzette entnommen, aufgeteilt und entsprechend ihrer Form (Kugel, Fasern, Blatt) gezählt und für weitere Analysen aufbewahrt. Die anschließende densimetrische Trennung erfolgte aufgrund der geringeren Dichte des Kunststoffes im Vergleich zu den Sandkörnern. Das getrocknete Sediment wurde mit einer gesättigten Salzlösung wie Natriumchlorid (NaCl mit einer Konzentration von 1,5 g/cm3), gemischt. Dazu wurden 50 ml Sediment mit 200 ml NaCl in einem Zylinder vermischt, von Hand für zwei Minuten geschüttelt und anschließend für weitere zwei Minuten sedimentieren lassen. Dieses Verfahren wurde drei Mal wiederholt. Aufgrund der geringeren Dichte des Kunststoffes konnte dieser von der Suspension getrennt werden, indem der Überstand entnommen und durch einen 10 µm Glasfaserfilter filtriert wurde. Die Filter wurden anschließend in Petrischalen gegeben.Um sämtliche organische Rückstände, welche die nachfolgende Beobachtung unter dem Mikroskop und eventuelle spektroskopische Analysen wie die „Raman-Spektroskopie" negativ beeinflussen können, zu entfernen, müssen die Filter weiter gereinigt werden. Dazu wurden den getrockneten Filtern 2 ml 30% H2O2 (Wasserstoffperoxid) für 30 Minuten zugesetzt. Abschließend wurden die Filter mit 4 ml ultrareinem Wasser gereinigt und trocknen gelassen.
Nach der Reinigung mit Wasserstoffperoxid wurden alle Filter unter dem Mikroskop betrachtet(1):
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In den Fasern oder Kunststoffpartikeln dürfen keine Strukturen organischen Ursprungs sichtbar sein
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Die Fasern müssen von gleicher Dicke und die Partikel von gleicher Farbe sein
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Weiße oder transparente Partikel müssen, um einen biologischen Ursprung ausschließen zu können, bei hoher Vergrößerung unter einem Fluoreszenzmikroskop untersucht werden
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Die zur allgemeinen Trennung und Klassifizierung von Mikroplastik verwendeten Merkmale sind: Ursprungsmaterial, Typ, Zersetzungsgrad, sowie Form und Farbe
Anmerkung:
(1) Für die Identifizierung von Mikroplastik unter dem Stereomikroskop wurde die standardisierte Methode von Nòren (2007) angewendet.
Zu Beginn der Probenahme wurde die Zählung des im Untersuchungsgebiet vorhandenen Makroplastiks durchgeführt. Diese Auswertung brachte eine beachtliche Anzahl von Objekten/Abfällen, die hauptsächlich aus Kunststoff bestanden und eine Gesamtmenge von 0,1 Objekten pro m2 ausmachten (siehe Fotogalerie, Foto 3). Dabei wurde eine Gesamtkonzentration von 842,67 Mikroplastik (MP) pro m2 gefunden. Das gefundene Mikroplastik war von unterschiedlicher Form und Farbe, wie auf den Fotos 4 und 5 ersichtlich ist. Dies gilt sowohl für das nach einer Vorauswahl aus dem Sediment untersuchte “Large-Microplastic” (LMP), als auch für das auf Glasfaserfiltern vorhandene “Small-Microplastic” (SMP). Wenn man die Anzahl der verschiedenen MP-Typen in den SMP-Proben genauer betrachtet (Grafik 1), erkennt man, dass die Filamente 85% der Gesamtmenge ausmachen, während in den LMP-Proben die lamellenförmigen Fragmente mit einer Konzentration von 53% überwiegen (Grafik 2).
Die gewonnenen Ergebnisse unserer Studie sind vergleichbar mit anderen Untersuchungen, wie beispielsweise jener von Imhof et al. (2013), die am Gardasee eine Konzentration von 1108 MP/m2 ermittelte. Es handelte sich dabei zwar um Durchschnittswerte, diese sind aber ein klarer Beleg dafür, dass auch in unseren Gewässern Mikroplastik vorhanden ist. Die Prävalenz von Filamenten, wie sie auch in anderen Studien an Seen und Fließgewässern festgestellt wurde, ist wahrscheinlich auf das Waschen von synthetischen Kleidungsstücken zurückzuführen, die von den Kläranlagen nicht zurückgehalten werden. Mikroplastik ist mittlerweile überall zu finden.
Rechtsgrundlagen: Nehmen Sie Einsicht in die Gesetzgebung
Kontakt: Biologisches Labor