Pilotstudie zur Überwachung von SARS-CoV-2
Ab Mai 2020 und bis September 2021 entwickelte das Biologische Labor eine Methode, um aus Abwasser genetisches Material des Coronavirus SARS-Cov-2 zu extrahieren bzw. in Abwasserproben nach genetischen Fragmenten des Virus zu suchen. Die Methode wurde laufend weiterentwickelt. Die Abwasserproben wurden zweimal wöchentlich am Einlauf von neun Kläranlagen entnommen. Mit diesen Proben konnten die Abwässer von circa 70% der Bevölkerung überwacht werden. Das Biologische Labor der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz hat als erstes Labor Italiens diese neue Methode angewandt. Das Monitoring erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern der Kläranlagen, dem Südtiroler Sanitätsbetrieb, dem Amt für Gewässerschutz und mit dem Labor für Wasseranalysen und Chromatografie der Umweltagentur.
Meist wenden sich Personen mit Beschwerden an den Sanitätsbetrieb, um einen Test zum Nachweis von SARS-CoV-2 durchführen zu lassen. All diese Tests werden registriert. Personen mit leichten oder fehlenden Beschwerden fallen jedoch durch dieses Erhebungsraster. Jeder benutzt jedoch die Toilette. Somit gelangt jede Virusausscheidung ins Abwasser und über die Kanalisation in die Kläranalgen. Die Untersuchung des Abwassers am Kläranalgen-Einlauf erlaubt Rückschlüsse auf die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung. Die Probenentnahme erfolgt zweimal wöchentlich, montags (24-Stunden-Probe von Sonntagmorgen bis Montagmorgen) und donnerstags (24-Stunden-Probe von Mittwochmorgen bis Donnerstagmorgen). Die Proben werden über 24 Stunden entnommen, und zwar proportional zur einfließenden Abwassermenge. Auf diese Weise erhält man eine repräsentative Probe des Einzugsgebietes der jeweiligen Kläranlage.
Das Amt für Gewässerschutz hat neun, für Südtirol repräsentative Kläranlagen ausgewählt: Bozen, Pontives, Tramin, Meran, Mittelvinschgau, Brixen, Tobl, Wipptal und Wasserfeld. Dabei wurden geografische Besonderheiten und touristische Einflüsse berücksichtigt.
Abwasser enthält große Mengen an Bakterien und Viren, die im menschlichen Darm vorkommen und mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Die Abwasser-Sammelprobe wird zuvor aufkonzentriert, um das darin enthaltene genetische Material zu extrahieren. Aus einer Abwasserprobe von 50 ml (entspricht dem Volumen eines großen Reagenzglases) erhält man etwa 0,1 ml (entspricht einem Tropfen) konzentriertes genetisches Material bestehend aus einer Mischung unterschiedlicher DNS und RNS bakteriellen, viralen und menschlichen Ursprungs. In dieser Lösung sucht man mittels Real-time RT-PCR(1) nach einigen genetischen RNS(2) -Sequenzen bestimmter Eiweißstoffe des Coronavirus SARS-Cov2. Die vom Gerät gemessene Signalstärke hängt von der Konzentration der untersuchten RNS-Sequenzen in der Abwasserprobe ab und liefert somit eine Information über die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung.
Note 1: Die Analysemethode Real-time RT-PCR erlaubt einen DNS-Doppelstrang zu synthetisieren, ausgehend von RNS (Reverse Transkription, RT). Der DNS-Strang wird mithilfe des Enzyms Polymerase aufgebaut. Es folgen mehrere Synthesezyklen aufeinander. Bei jedem Zyklus verdoppelt sich die DNS und wird in der Folge für das Analysengerät „sichtbar“ und somit quantifizierbar. Da SARS-CoV-2 einen RNS-Strang besitzt, ist es nötig die sogenannte Retrotranskription als Zwischenschritt einzubauen.
Note 2: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.
- Daten können nicht unabhängig voneinander interpretiert werden: die Untersuchungsergebnisse einer Probenentnahme werden mit den Ergebnissen der vorangegangenen und nachfolgenden Proben verglichen (Kurvenverlauf), um nicht repräsentative Proben möglichst auszuschließen.
- Mittels Abwasseruntersuchung kann man nicht feststellen, ob das genetische Material von SARS-CoV-2 von Neuinfizierten oder genesenen Personen stammt, die die kritische Phase bereits überstanden haben, aber noch Viren ausscheiden.
- Eine abnehmende Signalstärke in den Abwasserproben gilt als Zeichen für die Wirksamkeit getroffener Beschränkungsmaßnahmen.
- Das Corona-Monitoring mittels Abwasseruntersuchung wird vor allem dann nützlich, wenn bei steigender Infektionszahl die Rückverfolgung der einzelnen Fälle nicht mehr garantiert werden kann.
- Bei zunehmendem Umlauf des Virus steigt die Kurve der SARS-CoV-2-RNS-Konzentration(1) im Abwasser etwa 4 bis 14 Tage früher an als jene der Virusinfektionen im Einzugsgebiet der Kläranlage.
Note 1: RNS ist das Erbgut von SARS CoV-2, das alle Informationen für die Vermehrung des Virus in den Wirtszellen enthält.
Beschreibung der Heatmap:
Die Untersuchungsergebnisse werden in einer sogenannten Heatmap zusammengefasst. Jedes farbige Rechteck spiegelt die Belastung der Abwasserprobe am Einlauf einer bestimmten Kläranlage zu einem bestimmten Zeitpunkt wider. Die Klassifizierung basiert auf den in den Abwasserproben nachgewiesenen RNS-Konzentrationen des SARS-CoV-2-Virus. Die Farbabstufung verläuft von rot-gelb- grün bis blau. Die Farbe Rot entspricht der höchsten Virusbelastung, bei blauer Farbe wurde kein Signal nachgewiesen.
Anmerkung: Die gesammelten Daten und Informationen des Monitorings werden dem Südtiroler Sanitätsbetrieb übermittelt. Sie dienen als eine Entscheidungsgrundlage für das Notfall-Management der SARS-CoV-2-Pandemie.
Kontakt: Biologisches Labor