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Dolomiten UNESCO: Wieviel das Welterbe an Tourismus verträgt

Eine innovative Studie der Stiftung Dolomiten UNESCO und der Universität Venedig zeigt die touristische Tragfähigkeit der Besucher-Hotspots Pragser Tal und Drei Zinnen auf und schlägt Maßnahmen vor.

Den motorisierten Individualverkehr in Misurina zu beseitigen und den Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie zu Fuß und per Fahrrad zu fördern, ist eine der empfohlenen Maßnahmen. (Foto: Moreno Geremetta)

Touristische Hotspots, also Orte, die besonders attraktiv für Besucher sind und daher einer besonders hohen Belastung durch Überfüllung, Autoschlangen und Lärm ausgesetzt sind, zählt das Dolomiten UNESCO Welterbe einige: Wie viele Besucher diese vertragen, darauf möchte am Beispiel der Pilotgebiete Pragser Tal und Drei Zinnen Gebiet eine innovative Studie zur touristischen Tragfähigkeit eine Antwort geben.

Durchgeführt wird sie von der Fakultät für Wirtschaft der Universität Ca‘ Foscari Venedig im Auftrag der Stiftung Dolomiten UNESCO und dem von ihr ins Leben gerufenen überregionalen Netzwerk "Entwicklung, nachhaltiger Tourismus und Mobilität", das vom Land Südtirol koordiniert wird. Ziel ist es, ein nachhaltiges Management der Besucherströme – unter Berücksichtigung der Umwelt sowie wirtschaftlicher und sozialer Faktoren – zu erreichen.

Die wichtigsten Ergebnisse wurden heute (16. November) von dem für die Studie verantwortlichen Prof. Jan Van der Borg, Universität Ca‘ Foscari Venedig, gemeinsam mit dem Präsidenten der Stiftung Dolomiten UNESCO und Trentiner Landesrat Mario Tonina, und der zuständigen Südtiroler Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz vorgestellt, die von Marcella Morandini, Direktorin der Stiftung Dolomiten UNESCO, moderiert wurde.

Hoher Besucherdruck, geringes Erlebnis

"Das Besuchererlebnis an den Hotspots Pragser Tal und Drei Zinnen Gebiet hat in den letzten Jahren an Qualität abgenommen. Auf dieses Alarmzeichen müssen wir reagieren", ist die für das Dolomiten UNESCO Welterbe in Südtirol zuständige Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer überzeugt. Es handle sich um außergewöhnliche, aber auch sehr sensible Gebiete. "Der touristische Druck auf sie hat die Grenze des Verträglichen überschritten: Zu viele Menschen konzentrieren sich an wenigen Orten und in wenigen Wochen im Jahr", so die Landesrätin. Darunter leide die Natur und die Lebensqualität der Menschen vor Ort, und auch der Besuch verliere an Einzigartigkeit. Landesrätin Hochgruber Kuenzer: "Ziel muss es daher sein, sowohl auf lokaler als auch auf provinzübergreifender Ebene gemeinsam an einem besseren Management der Hotspots im Welterbegebiet zu arbeiten."

Ausdehnung auf Tovelsee im Brentagebiet

Wissenschaftliche Daten bilden eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen, unterstreicht der Stiftungspräsident und Trentiner Landesrat Mario Tonina: "Mit dieser Tragfähigkeitsstudie haben wir einen wichtigen Monitoringprozess im Dolomiten UNESCO Welterbe eingeleitet." Es sei grundlegend, das Welterbegebiet als ein großes Ganzes zu verwalten, von der Brentagruppe hin zu den Dolomiti Friulane.

In Kürze wird zum Pragser Tal und dem Drei Zinnen Gebiet ein weiteres Untersuchungsgebiet hinzukommen: der Tovelsee im Brentagebiet.  "Wir wollen den eingeschlagenen Weg weitergehen", erklärt Tonina. "Denn das Bedürfnis, Berggebiete zur Erholung aufzusuchen, hat sich unter dem Einfluss von Covid-19 noch verstärkt." In den Gebieten Pragser Tal und Drei Zinnen warte man jetzt auf die Besucherdaten für 2020, die die Auswirkungen des Coronavirus auf die Sommersaison aufzeigen werden.

Die Methode

Die Studie basiert auf der Analyse von so genannten "Big Data" von Vodafone Analytics, TripAdvisor, ISTAT und Banca d'Italia (Daten von Zellen des Telefonnetzes, die anonym in aggregierter Form zusammen mit Daten aus sozialen Netzwerken gesammelt wurden). Die Grundlage bilden die in den zwei Pilotgebieten erhobenen Besucherströme von Juni bis September 2018.

Unter Anwendung des von Prof. Van der Borg entwickelten touristischen Tragfähigkeitsmodells haben die Experten der Universität Ca‘ Foscari die natürliche, soziale und ökonomische Tragfähigkeit untersucht und Maßnahmen vorgeschlagen, wie man lenkend eingreifen kann. Bei der natürlichen Tragfähigkeit wurde ausgewertet, wie viele Besucher die im Gebiet vorhandenen Strukturen aufnehmen können, aber auch welche Anzahl von Besuchern für das Ökosystem verträglich ist. Die soziale Tragfähigkeit setzt sich mit der Frage nach der Qualität des Besuches sowie nach der Lebensqualität der Einheimischen auseinander. Die ökonomische Tragfähigkeit schließlich beleuchtet das Einkommensniveau im Gebiet, das im Tourismus erzielt werden kann, ohne dass es zu einer touristischen Monokultur kommt.

Empfohlene touristische Tragfähigkeit

Studienleiter Prof. Jan Van der Borg, der die wichtigsten Ergebnisse heute im Rahmen der Pressekonferenz vorgestellt hat, kommt zum Schluss, dass "Quantität und Qualität nicht in Einklang zu bringen sind". So lag die Besucheranzahl im Pragser Tal im Sommer 2018 (Juni bis September) weit über der Tragfähigkeit des Gebietes, mit Spitzen von über 17.400 Personen am Tag und einer Dichte von bis zu 188 Personen pro Hektar. Im Drei Zinnen Gebiet wurde im selben Zeitraum ein Tageshöchstwert von über 13.400 Personen erreicht. "Es geht dabei nicht nur um Fragen der Mobilität: Es geht um die Personenanzahl, die sich zur gleichen Zeit an diesem Ort aufhalten darf, ohne dass es zu einer Überlastung auf ökologischer, sozialer und ökonomischer Ebene kommt", unterstreicht Van der Borg.

Die Weltourismusorganisation (WTO) hat für die natürliche Tragfähigkeit Grenzen ausgearbeitet: Wird das Gebiet Pragser Wildsee für die zulässige Besucherzahl als Naturpark eingestuft, so beträgt das Maximum laut WTO-Empfehlung 1500 bis 2000 Personen pro Tag. Wird das Gebiet als Wandergebiet eingestuft, beträgt die maximale Besucherzahl pro Tag 4500 bis 6000 Personen. In Bezug auf das Gebiet Drei Zinnen empfiehlt die WTO ein Maximum von 2700 bis 3000 Besuchern pro Tag, wenn man das Gebiet als Naturpark betrachtet. Wird das Gebiet als Wandergebiet eingestuft, beträgt die maximale Besucherzahl pro Tag 7000 bis 7500 Personen. Bezogen auf die soziale Tragfähigkeit liegt die Grenze für das Besuchererlebnis im Pragser Tal bei 9000 Personen am Tag und im Drei Zinnen Gebiet bei 4000 Personen am Tag. Diese Grenzen seien eine Chance, so Universitätsprofessor Van der Borg, "für mehr Qualität der Natur und der Umwelt sowie der Besuchererfahrung und für mehr Lebensqualität."

Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit

Das Fazit: Die Grenzen der Belastbarkeit sind überschritten, sowohl in Prags als auch im Gebiet Drei Zinnen. Aus diesem Grund schlägt die Studie eine Reihe von Maßnahmen vor, um das Management der Besucherströme im Dolomiten UNESCO Welterbegebiet zu verbessern: Für das Pragser Tal sind bereits Zugangsbeschränkungen in Umsetzung (Bus-Shuttle mit verpflichtender Vormerkung). Für das Drei Zinnen Gebiet lautet die dringende Empfehlung, den motorisierten Individualverkehr in Misurina zu beseitigen und den Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie zu Fuß und per Fahrrad zu fördern.

Mittelfristig schlägt Prof. Van der Borg zudem das kontinuierliche Monitoring der Daten und die Einrichtung einer provinzübergreifenden Koordinierungsstelle vor, um strategische Entscheidungen auf Ebene des gesamten Welterbegebietes treffen zu können. Konkret geht es darum, den Besuch von weniger frequentierten Gebieten des Welterbes, wie etwa den Dolomiti Friuliane, zu fördern ebenso wie die Saison für Besucher zeitlich auszudehnen.

Abschluss der Studie Ende 2020

Bis Ende 2020 soll die Studie zur touristischen Tragfähigkeit der Pilotgebiete Pragser Tal und Drei Zinnen fertig gestellt sein. Nach Genehmigung durch den Verwaltungsrat der Stiftung Dolomiten UNESCO Welterbe wird sie auf dem Webportal der Stiftung Dolomiten UNESCO veröffentlicht werden.

mpi

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