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Ein Berggebiet ohne Wald ist wie ein Haus ohne Dach
LPA - 25 Forstfachleute aus den Ländern St. Gallen, Graubünden, Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Bayern, Trentino und Südtirol haben heute (12. Juni) in St. Pankraz im Ultental Ergebnisse der zweitägigen Arge-Alp-Tagung zum Thema „Ökologie und Ökonomie im Schutzwald“ vorgestellt.
In allen am Projekt beteiligten Ländern - St. Gallen, Graubünden, Tirol, Vorarlberg, Bayern, Salzburg, Trentino und Südtirol - erfüllt mehr als die Hälfte der Waldfläche Schutzfunktion gegenüber den Naturgefahren Lawine, Hochwasser und Steinschlag. In Südtirol sind es 58 Prozent der Waldfläche, was rund 195.000 Hektar entspricht. "Die aktive Bewirtschaftung und Behandlung dieser Waldflächen", unterstreicht der Direktor des Landesamtes für Forstplanung Günther Unterthiner, "garantiert die nachhaltige Sicherstellung der Schutzfunktion und reduziert die Notwendigkeit von technischen Verbauungen im Wald auf ein Minimum". Vorbeugende Schutzwaldpflegemaßnahmen sind kostengünstig Das Verhältnis von aktiver Schutzwaldpflege zu Wiederherstellung und zu technischer Verbauung steht von den Kosten her bei 1:10:100.
Aktive Schutzwaldpflegemaßnahmen zeigen auch eine hohe Kompatibilität mit Biodiversitätsforderungen. So verbessern Öffnungen von Waldbeständen den Lebensraum von Rauhfußhühnern. Wichtig ist dabei, die Setz- und Nistzeiten etwa des Auerwildes bei Schlägerungsarbeiten zu berücksichtigen. "Aktive Schutzwaldpflege kommt der Allgemeinheit zugute", betont Amtsdirektor Unterthiner. Deshalb müssen bestimmte Bewirtschaftungs- und Behandlungsrichtlinien berücksichtigt werden: Länge, Breite und Ausrichtung von Nutzungseingriffen sind mit standortökologischen und schutztechnischen Anforderungen abzustimmen, etwa keine Öffnungen in Falllinie, höhere Abstockung und Querfällung zur Vorbeugung von Lawinenabgängen, Belassen von Totholz, Schlitzhiebe von der Seillinie etc.
Für die Bereitstellung der Schutzwirkung des Waldes hat der Waldeigentümer Anspruch auf eine angemessene und leistungsbezogene Abgeltung oder zumindest einen Anspruch auf Ausgleich der Mehrkosten durch die erschwerten Bewirtschaftungsbedingungen von Seiten der Allgemeinheit. Dies wird bereits im Bergwaldprotokoll, das als eigenständiges Protokoll Bestandteil der Alpenkonvention ist, gefordert. Zur Sicherstellung von ökologischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen im Schutzwald sind standortsgerechte Wildbestände Grundvoraussetzung. Ein Berggebiet ohne Wald ist wie ein Haus ohne Dach. Ein forstpolitisches Dokument ist für die Abschlussveranstaltung im Jänner kommenden Jahres in St. Gallen in Ausarbeitung, wobei die gesammelten Erfahrungen aus vier gemeinsamen workshops in den teilnehmenden Partnerländern zusammengefasst werden.
Im Grundsatz geht es in der Schutzwaldpflege darum, von einem Ist-Zustand durch wirksame Maßnahmen und Eingriffe zu einem Soll-Zustand zu kommen und dies möglichst wirtschaftlich. An ausgewählten Standorten werden Waldbestände im Schutzwald als Fallstudien von circa zwei bis vier Hektar Fläche mit vergleichbaren Rahmenbedingungen - etwa Seilkrangelände, Exposition, Pflanzensoziologische Einheit etc. - ausgewählt und im Sinne der Optimierung der Waldfunktionen mit dem besten Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie gepflegt. Es werden Bestände ausgeschieden und vor bzw. nach dem Eingriff anlässlich von Experten-Workshops besprochen, die Erfahrungen ausgetauscht und Verbesserungsvorschläge festgehalten. Es handelt sich um ein Arge-Alp-Länder-Projekt, an dem alle Partnerländer teilnehmen. Die Resultate der Workshops werden schriftlich dokumentiert und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt, quasi als Handbuch im Sinne von "Möglichen Lösungen" für eine effiziente (die Dinge richtig tun) und effektive (die richtigen Dinge tun) Schutzwaldpflege unter der Berücksichtigung ökologischer Aspekte. Die Beobachtungsflächen sollten als Modellflächen (Weiserflächen) aufrecht erhalten und deren weitere Entwicklung beobachtet und festgehalten werden. Die Wirkungs- und Zielanalyse über einen längeren Zeitraum kann wertvolle Hinweise für Praxis und Forschung liefern.
Nach dem Auftakt-Workshop in den Kantonen Graubünden und St. Gallen im Jahr 2010 tagte im Jahr 2011 ein Erfahrungsaustausch auf Nutzungsflächen in Vorarlberg und Bayern; im Jahr 2012 wurde in Tirol und Salzburg der unterschiedliche Förderungsansatz in den einzelnen Ländern auf ein- und demselben Nutzungseingriff miteinander verglichen. Ziel ist auch eine klare forstpolitische Aussage zu ökonomischen und ökologischen Aspekten bei Nutzungseingriffen im Schutzwald.
mac